Volkes Wille? Änderung des Baugesetzbuches

Artikel in der Neue Westfälische / Lippische Landeszeitung

Die Wählergemeinschaft Bürger für Lemgo und andere Politiker fordern, die jetzt beschlossene Möglichkeit der Festlegung hoher Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung sofort in NRW umzusetzen. Sie argumentieren dabei mit angeblich zunehmenden Bürgerbeschwerden über die "Verspargelung" der Wohnumgebung. Ob dies jedoch eine echte Beeinträchtigung ist? Haben sich die Herren auch so für die Anwohner ins Zeug gelegt, als in der Kölner Bucht die (Zwangs-)Umsiedelung zugunsten der Braunkohletagebaue anstand? Setzen sie sich heute dafür ein, dass in der Lausitz Mindestabstände der Braunkohletagebaue zu umliegenden Siedlungen eingeführt werden?

Richtig ist: Windenergieanlagen sollten keinesfalls so nah an Wohnsiedlungen gebaut werden, dass hier deutliche Beeinträchtigungen der Wohnqualität auftreten.
Falsch ist: Mit der großen Gieskanne grundsätzliche Mindestabstände von mehr als 400 Metern festlegen.
Die mit Hilfe der TA Lärm festzustellenden Abstände und von der Anlagenhöhe abhängige Abstände (3H-Regel = dreifache Höhe) entspricht durchaus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Zusätzlich werden derzeit zu jeder Windenergieanlage vor Aufstellung individuelle Gutachten verlangt.

Es muss auch in Zukunft in unserem Land möglich sein, der Energiewende Kraft zu geben und Windenergieanlagen zu errichten. Viele Mitbürger sehen Windenergie positiv, die Ausblickbelästigung durch konventionelle Kraftwerke und Tagebau wird oft in dieser Diskussion außer Betracht gelassen!

Leserbrief an die Lippische Landeszeitung von Ralf Kersting

Zu o. a. Artikel stelle ich fest, dass die Herren Jung und Sieveke (CDU Paderborn) offensichtlich einen Schnellschuss aus der Hüfte zugunsten zentraler (und eventuell konservativer?) Energiegewinnung abgegeben haben. Sie äußern ihre Forderung nach sofortiger Umsetzung in Landesrecht und nach Handeln des Landesumweltministers Remmel mit der Begründung, wegen zunehmender Bürgerbeschwerden über die "Verspargelung" der Wohnumgebungen sei das dringend nötig. Nicht angesprochen wird die Tatsache, dass eine zentrale Energiegewinnung, die mit größeren Abständen einhergeht, auch mehr Stromtrassen erfordert. Auch diese "Verdrahtung" von Wohnumgebungen (siehe Lügde) und damit verbundener höherer Kosten (Stromtrassenbau, -unterhaltung und höhere Leitungsverluste) bedeuten nicht nur eine vermeintliche Belästigung sondern eine bezifferbare Belastung der Bürger. Sollte mit der Forderung der im Artikel genannten Politiker darauf abgezielt sein, die Anzahl neu zu errichtender Windenergieanlagen zu verringern (die Vermutung liegt nahe, zumal dann in Lemgo und auch in anderen Kommunen nahezu gar keine neuen Anlagen errichtbar wären)? Wie sehen die im Artikel genannten Politiker dann die optische Belästigung durch Braunkohlentagebau (Kölner Bucht und Lausitz) und Großkraftwerke (z. B. KKW Grohnde, Steinkohlenkraftwerk in Lahde bei Petershagen)? Die Änderung des BauGB bedeutet: Umweltfreundliche Windenergieanlagen können auf Kilometer von Wohnbebauung verbannt werden, für Braunkohletagebau werden Menschen aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben und Umwelt- und Bergschäden in Kauf genommen. Die Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums ist plausibel: Mit den derzeitigen Genehmigungsverfahren ist ein ausreichender Umwelt- und Naturschutz gegeben, eine weitere (pauschale) Restriktierung durch Mindestabstände von 1.000 Metern und mehr würde die Ausbauziele sowohl des Landes NRW als auch die des Bundes gefährden. Zukünftige Generationen brauchen CO2-neutrale, dezentrale Energiegewinnung jetzt, nicht erst in ferner Zukunft. Wind und Sonne sind kostenlos. Kohle nicht.

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